Ultrakurze Terahertz-Impulse regen
Zwei-Quanten-Oszillationen von Atomen in einem Halbleiterkristall an. Die von
den bewegten Atomen abgestrahlten Terahertz-Wellen werden mittels einer neuen
zeitaufgelösten Technik analysiert und zeigen den nicht-klassischen Charakter
der Atombewegungen von großer Amplitude.
Das klassische Pendel einer Standuhr schwingt mit einer wohl
definierten Auslenkung und Geschwindigkeit zu jedem Zeitpunkt vor und zurück.
Während dieser Schwingung bleibt seine Gesamtenergie konstant, welche durch
eine beliebig wählbare Anfangsauslenkung vorgegeben ist. Oszillatoren in der
Quantenwelt der Atome und Moleküle verhalten sich völlig anders: Deren Energie
hat diskrete Werte entsprechend der unterschiedlichen Quantenzustände eines
Oszillators. Der "verschmierte" Ort eines Atoms in einem
Energieeigenzustand des Oszillators wird mit Hilfe der Wellenfunktion
beschrieben, deren Amplitude keinerlei Schwingungen aufweist.
Schwingungsbewegungen in der
Quantenwelt erfordern eine Überlagerung unterschiedlicher Quantenzustände -
sogenannte Kohärenzen oder Wellenpakete. Die Überlagerung zweier benachbarter
Oszillatorzustände entspricht einer Ein-Quantenkohärenz, bei der die
Atombewegung dem klassischen Pendel sehr ähnelt. Viel interessanter sind
Zwei-Quantenkohärenzen, eine waschechte nicht-klassische Anregung, bei der ein
Atom gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten sein kann. Seine Geschwindigkeit
verhält sich auch nicht-klassisch, was bedeutet, dass es sich zur selben Zeit
von links nach rechts und von rechts nach links bewegt (siehe Movie). Solche
Bewegungen existieren nur für sehr kurze Zeiten, weil die wohl definierte
Überlagerung der Quantenzustände aufgrund der sogenannten Dekohärenz innerhalb
weniger Pikosekunden (1 Pikosekunde = 10-12s) zerfällt. Solche
Zwei-Phononen-Kohärenzen sind äußerst wichtig in dem neunen Forschungsgebiet
der sogenannten Quanten-Phononik. Dort werden nicht-klassische Atombewegungen
wie etwa "gequetschte" oder "verschränkte" Phononen
untersucht.
In der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift
Physical Review Letters haben Forscher des Max-Born-Instituts in Berlin die
neue Methode der Zwei-Dimensionalen (2D) Terahertz-Spektroskopie eingesetzt um
nicht-klassische Zwei-Phononen-Kohärenzen mit großen räumlichen Amplituden zu
erzeugen und nachzuweisen. In den Experimenten wechselwirkt eine Sequenz von
drei phasengekoppelten THz-Impulsen mit einem 70-μm dicken Kristall des
Halbleiters Indiumantimonid (InSb). Das elektrische Feld, das die bewegten
Atome abstrahlen, dient als eine Sonde für die Atombewegung in Echtzeit. Ein
zwei-dimensionales Abrasterverfahren (ein sogenannter 2D-scan), bei dem die
zeitliche Verzögerung zwischen den drei THz-Impulsen variiert wird, zeigte
ausgeprägte Zwei-Phononen-Signale und konnte deren Zeitstruktur aufdecken [Abb.
1]. Eine detaillierte theoretische Analyse brachte die Einsicht, dass
nichtlineare Vielfach-Wechselwirkungen von allen drei THz-Impulsen nötig sind
um solche starken Zwei-Phonen-Kohärenzen anzuregen.
Die neue experimentelle Methode
erlaubte zum ersten Mal Zwei-Phononen-Kohärenzen großer Amplitude in einem
Kristall nachzuweisen. Alle experimentellen Beobachtungen sind in exzellenter
Übereinstimmung mit der Quantentheorie. Dieser neue Typus von
2D-THz-Spektroskopie weist den Weg zur Erzeugung, Analyse und Manipulation von
anderen Niedrig-Energie-Anregungen in Festkörpern, wie z.B. Magnonen oder
optischen Übergängen in Exzitonen oder an Störstellen gebundenen Elektronen.
Originalpublikation: Physical Review Letters 116, 177401
Two-Phonon Quantum Coherences in Indium Antimonide Studied by Nonlinear
Two-Dimensional Terahertz Spectroscopy;
Carmine Somma, Giulia Folpini, Klaus Reimann, Michael Woerner, and Thomas
Elsaesser
DOI: http://dx.doi.org/10.1103/PhysRevLett.116.177401
Kontakt
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI)
Max-Born-Str. 2A, 12489 Berlin
Prof. Klaus Reimann
Tel. 030 6392 1476
Dr. Michael Wörner
Tel. 030 6392 1470
Prof. Dr. Thomas Elsässer
Tel. 030 6392 1400
Abb. 1: Experimentell gemessene
Kurven: (a) Zwei-dimensionaler (2D) scan der Summe der elektrischen Felder
E(τ,t) der drei treibenden THz-Impulse A, B und C als Funktion der Kohärenzzeit
τ und der Realzeit t. Das Konturdiagramm ist rot gefärbt für positive
elektrische Felder und blau gefärbt für negative elektrische Felder. (b) 2D
scan des von der Zwei-Phononen-Kohärenz im Halbleiter Indiumantimonid
nichtlinear abgestrahlten, elektrischen Feldes ENL(τ,t) Die orange
Linie zeigt die Mitte von THz-Impuls A. (c) Elektrische Feldtransiente ENL(0,t)
gemessen für Kohärenzzeit τ=0.
Movie: Veranschaulichung von
nicht-klassischen Quantenkohärenzen in Materie. Die zwei Parabeln (scharze
Kurven) zeigen die Potentialoberflächen von harmonischen Oszillatoren, die die
Schwingungen von Atomen in einem Kristall um ihre Gleichgewichtslage
repräsentieren - die sogenannten Phononen. Die blauen Kurven zeigen die
Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Atome an unterschiedlichen Orten im
thermischen Gleichgewicht. Die quantenmechanische Unschärferelationen erzwingt
eine endliche räumliche Ausdehnung solcher Verteilungsfunktionen. Die roten
Kurven zeigen die zeitabhängige Aufenthaltswahrscheinlichkeit von verschiedenen
kohärent schwingender Quantenzustände in der Materie. Links sieht man eine
Ein-Phonon-Kohärenz, bei der die quantenmechanische Bewegung der Atome stark
der klassischen Bewegung eines Pendels ähnelt (türkise Kugel). Diese bewegt
sich während der Oszillation entweder von links nach rechts oder von rechts
nach links. Auf der rechten Seite sehen wir die zeitabhängige
Aufenthaltswahrscheinlichkeit einer Zwei-Phononen-Kohärenz. Die Quantenmechanik
erlaubt eine nicht-klassische Bewegung, bei der ein Atom gleichzeitig an zwei
unterschiedlichen Orten verweilen kann. Die Geschwindigkeit der Atome verhält
sich auch nicht-klassisch, d.h., es kann zur gleichen Zeit von links nach
rechts und von rechts nach links schwingen. Bei einem perfekten harmonischen
Oszillator würden die Teilchenströme dieser beiden Anteile sich exakt
auslöschen. Daher muss eine kleine Anharmonizität vorliegen, damit man die
Emission eines kohärenten elektrischen Feldes wie in Abbildung 1(c) beobachten
kann.
http://www.mbi-berlin.de/images/highlights/movie/InSbmovie7.avi